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Gedenkstein im Enger Park

Albert Panten

Moritz Momme Nissen,

ein zu Unrecht vergessener Sprachforscher

 

Der gebürtige Enge-Sander verfasste Gedichte und ein friesisches Wörterbuch.

 

Wer heute von Husum kommend die Bundesstraße 5 kurz vor Sande (Perebüll) in Richtung Osten auf das Dorf Enge zu verlässt, wird kaum wissen, dass hier auf der Hörn vor über 150 Jahren ein nordfriesischer Sprachforscher und Dichter ersten Ranges geboren wurde: Moritz Momme Nissen. Er kam am 17.2.1822 zur Welt und verlebte seine Jugendzeit in Enge. Von 1843 bis 1846 besuchte er dann das Lehrerseminar in Tondern. Bevor er ab 1865 in Stedesand eine Anstellung als Küster und Lehrer fand, war er als solcher tätig in Brunsbüttel, Kiel, Gammendorf auf Fehmarn und in Nebel auf Amrum.

 

Neben seinem Beruf aber verfertigte er in langjähriger Arbeit ein mehrbändiges Wörterbuch der nordfriesischen Sprachen, sammelte viele tausend Sprichwörter und dichtete auf friesisch und deutsch. Dazu schrieb er kleine lehrhafte Erzählungen und arbeitete an einer Grammatik. Nach seiner Berufsaufgabe lebt er noch zehn Jahre in Sünderup bei Flensburg in Armut. Er starb dort am 29.12.1902.

 

M. M. Nissen war ein stiller und bescheidener Mann, der ungeheuer fleißig war. Seine Bücher veröffentlichte er meist unter großen Schwierigkeiten und persönlichen Opfern. So erschien 1868 in Altona der erste Teil des „Friesischen Spiegels“, worin Gedichte in Karrharder Mundart mit hochdeutscher Übersetzung gebracht werden.

 

M. M. Nissen schildert Haus und Heimat in Enge und die Umgebung seines Wohnorts, heimische Sagen und Sitten; eine kleine Erzählung schildert einen „Wollkratzerabend“ auf der Hörn. Der zweite Teil, „De Makker tu de freske Sjemstin“, liegt noch als Handschrift von 1889 auf der Kieler Universitätsbibliothek. Neben Gedichten enthält er ein Theaterstück mit Liedern. Eine Auswahl seiner Lieder (mehrere hundert) befindet sich als Manuskript in Kiel. Vor allem aber gehört heute zum Grundstock der nordfriesischen Wörterbuchstelle an der Universität Kiel das fünfbändige, großformatige Wörterbuch Moritz M. Nissens, in dem über 60.000 Wörter erläutert und mit denen anderer Sprachen (meist acht bis zehn) verglichen werden. Vierzig Jahre hat er daran gearbeitet.

 

Viele tausend Sprichwörter aus allen nordfriesischen Sprachgebieten veröffentlichte Moritz Momme Nissen im „Freske Findling“. Eine Sammlung plattdeutscher Sprichwörter aus Eiderstedt liegt gedruckt vor. Verschollen ist hingegen eine Erzählung über den Auszug der Angeln unter Hengist und Horsa nach Britannien.

 

Moritz M. Nissen gehörte zu den Mitbegründern des Friesen-Vereins von Niebüll-Deezbüll von 1879. Durch seine Werke hat er seiner Heimat, dem Kirchspiel Enge, in Gedichten und Prosastücken ein immerwährendes Denkmal gesetzt, Mentalität und Gesinnung seiner Zeit festgehalten.

 

Moritz Momme Nissen entstammt einem alten Enger Geschlecht. Sein Vater Momme Nissen (geb. 1792) war mit Christiane Christiansen aus Enge verheiratet. Dem Großvater Nikolai Christian Momme Nissen verdankt laut Aussage einiger seiner Gedichte Moritz M. Nissen, dass er das Seminar in Tondern besuchen konnte. Er weckte in ihm die Gedanken für seine Umwelt. Nikolai Chr. M. Nissen war mit Engel Hansen aus Ockholm verheiratet, wo er auch eine Zeitlang wohnte, ehe er mit seiner Frau den elterlichen Hof auf der Hörn übernahm. Nicolais Vater hieß Momme Nissen; dieser war mit Katharina Moritzen aus Engerheide verheiratet. Hierdurch gelangte der Vorname „Moritz“ in die Familie, denn Katharinas Vater hieß Moritz Hansen, von dem heute noch die Familien Moritzen und Ketelsen im näheren Umkreis der Gemeinden Enge und Langenhorn künden. Er ist ebenfalls ein Urahn mütterlicherseits des Philosophen Friedrich Paulsen aus Langenhorn (gest. 1908). Aus vielen literarischen Zeugnissen erhärtete sich die Vermutung, dass aus der Familie des Moritz Hansen die „philosophische“ Ader an diese beiden Männer, Friedrich Paulsen und Moritz Momme Nissen, gekommen ist.

 

Viele Gedichte von M. M. Nissen sind entstanden unter dem Eindruck des Heimwehs, das ihn die größte Spanne seines Lebens bedrückte; aus dem Heimweh heraus schöpfte er die Kraft für seine zahlreichen Werke; in der Fremde sich ein Stück seiner Heimat zu schaffen und zu wahren, das scheint ein Hauptmotiv gewesen zu sein. Ohne dies Heimweh wäre er nicht das geworden, als was führende Sprachgelehrte dieses Jahrhunderts ihn betrachten: einer der hervorragendsten nordfriesischen Sprachforscher und Dichter!

 

Heimweh

(Moritz Momme Nissen)

 

Dort steht an Frieslands Himmel

das schöne Abendrot;

dort weiß man nichts von Heimweh,

man kennt nicht diese Not.

 

Dort lug ich oft hinüber

nach meiner Heimat Schoß;

und jener Abendschimmer

macht mir mein Herz so groß.

 

Hier hör ich nicht das Brausen

von Ebbe und von Flut;

nicht deine Wogen sausen,

nicht ihrer Brandung Wut.

 

Die schöne Muttersprache

hör ich nicht halb, nicht ganz;

bald muss ich Blumen pflücken

zu meinem Totenkranz.

 

Das klingt mir vor den Ohren

wie ferner Schwanensang;

darüber fließen Tränen

schon viele Jahre lang.

 

 

Zum 75sten Todestag Moritz Momme Nssens am 29.12.1977 wurde zur Erinnerung an ihn in Enge ein Gedenkstein aufgestellt.

 

Kurt Pohlmann aus Klapphagen hielt damals eine Festrede – auf plattdeutsch.

 

Leewe Enger-Sander!

Leewe Gäste!

Wii Jem weedn, het de gemeenderot beschloten, för unse nordfreesche sprokforscher un dichder Moritz Momme Nissen to siin 75de dodesdach, de 29.12.1977, een gedenksteen in siin geburtsdörp Enge uptustelln. Suwiid as ik bii uns in de gemeende feststelln kun, is he bi uns tämli fergedn worn. Ik sölm mut sääng, dat ik uk bit för een poor joor nich feel fun em wus. Eers as ik mi meer mit de freesche sprok befooten dee, keem ik dorachder, dat för 155 joor bi uns in de gemeende een man upstoon is, de för unse freesche heimat eenmoliges leistet het.

 

Albert Panten wiist in dat blat nochmol sin wark un siin leewenswech op. Ik hef fersöcht, so gut as ik dat kun, een poor fun siine stüge in unse plat to ööwerdreeng. Ik meen, dormit kum ik dat, wat Moritz Momme Nissen utsääng wul, neeger as mit de hochdüütsche öwersettung. De ferscheel to unse plat is nich so groot as tot hochdütsche.

 

As ik för korden de gedichtband fun Moritz Momme Nissen „De freske Sjemstin“ (De freesche Speegel) ine finger krech, mogde ik een intresante feststellung, de mit een anner sook in unse gemeende tosoom past. För gut een joor woor ik fun de gemeenderot dormit beopdrocht, för unse nüe gemeende Enge-Sande een wappen to moken. Dat weer een gedanke fun Frank Sonnenschein, de min inträse ine mööt keem. Ik hef mit feele lüüd in unse gemeende doröber schnackt un keem tulets to de schlus, dat dat dree sookn weern, wat unse gemeende präächt hem.

 

De Langbaarch fun Sande bit Knorburg un de Soholmerau fun Knorburg bit Sande. Dorto de kaark, de jo öwer 600 joor unse dörper tosomm holn het; un so keem den no feel hen un heer dat wappen, as wii dat nu up de steen seen kön. Un nu as ik anfung, in Moritz Momme Nissens gedichtband to schmöökern, markde ik, dat he al för 100 joor dise markmole beschreewen het: Baarch, Stroom un Gloof. Sowiid af fun de sook sin wii den jo gornich mit unse wappen.

 

Un nu is dor noch wat, dat utsproken warn mut. Dat min andrach, för Moritz Momme Nissen een gedenksteen to siin 75de dodesdach uptustelln, fun de gemeenderot eenstimi beförwordet wor un nich to een sook fun de eene ooder anner frakschon mokt wor, het mi gans besonders freut. Dorför dank ik. Mach uk dise, as al de anern beschlüss, de in dise eersden feer joor in unse nüe gemeende foodet worn sint un woor oft hart um rungn wor, dorto biidreeng dat unse gemeende noch meer tohopen wast un dat de menschen, de in Enge-Sande woon'n, dat ok geern doon.

 

Dat is dat eernsthafte bemöön fun jede eenselne fun dise gemeenderot wään un kan nich in twiiwel stellt warn. Schluudn wil ik mit een lütte stük fun Moritz Momme Nissen.

 

 

Walle an Plaght

Ik wall, dat mei ik hire,

ik skall, dat mött ik lire;

an wall ik, wat ik skall,

sö hew-k for Goden Ire,

an ben man eine Hire.

 

Will un Flicht

Ik will, dat mach ik hörn,

Ik schall, dat mut ik leern;

un will ik, wat ik schall,

so hef ik för Gott de Eer,

un bin min egen Herr.